Die Story der Käthe S.

Die verwitwete Rentnerin Käthe S. aus Schiefbahn humpelt durch die Wohnung, heute spürt sie das Zipperlein im Rücken besonders stark. Ihr Blick fällt auf die Gardinen. Schon seit 5 Wochen will sie die waschen und heute ist der Wunsch besonders groß, leider ist sie nicht mehr in der Lage, ihre Gardinen abzunehmen. Die Rente ist kärglich und für Extraausgaben momentan nichts drin. Sie erinnert sich an einen Zeitungsartikel in den Willicher Nachrichten, in dem von einem Ring die Rede war, in dem man alles tauschen könne, leider hat sie den Artikel nicht so genau gelesen, weil sie sich von so komischen Kram nicht angesprochen fühlte. Immer so viele Neuerungen im Stadtgeschehen, das neue Rathaus, neue Buslinien, überall Kürzungen, Streichungen, der Bürgerbus und und und.

Eine halbe Stunde später sitzt Käthe bei ihrer Nachbarin Maria, mit der sie heute nach Willich zum Wochenmarkt fährt. „Maria, meine Gardinen sehen schrecklich aus, ich kann sie nicht mehr allein waschen, ich würd‘ ja schon von der Leiter fallen.“ Maria kann auch nicht helfen, aber sie ist über das Stadtgeschehen bestens informiert. „Käthchen, wir sind direkt an der Kirche und ganz in der Nähe ist das neue Tauschring-Büro, da werden wir uns mal informieren.“ Gesagt, getan, nach dem Einkauf gehen sie dort vorbei. Im Tauschringbüro wird ihnen alles erklärt, man könne Dienstleistungen tauschen, wenn man Mitglied wird im Tauschring Will-ich. Käthe bekommt eine Liste gezeigt, allein 15 Leute aus Schiefbahn bieten Hausdienste an, auch Gardinen-Waschen. Käthe ist unsicher, was kann sie in ihrem Alter mit allerlei Handicaps selbst als Gegenleistung, als ihre Spezialität anbieten? Denn es wird ja ohne Geld getauscht, das ist ihr eben erklärt worden. 20 Minuten Arbeit kosten oder bringen 1 Willi. Ihr fällt nur ihr berühmter Apfelkuchen ein. Mia meldet sich: „Du kannst auch sehr gut Kinder hüten, vorlesen, und die Geschichten, die du auf Schibbaner Platt erzählst, sind so originell, dass du sie für die Zeitung des Heimatvereins vermarkten kannst.“

Käthe sieht Silberstreifen am Horizont und weiße Gardinen vor sich. Sie ist so begeistert, dass sie eine kleine Spende gibt und sich in die Mitgliedskartei eintragen lässt, der Personalausweis wird kurz gecheckt. Sie erhält die Mitgliedsnummer 68. Lustig, denkt sie, das ist ja genau mein Alter. Mit der Tauschliste bestückt, fahren Maria und Käthe nach Haus. Mia verspricht, bei der ersten Tauschaktion zu helfen. Auch sie ist Mitglied geworden und freut sich schon auf das, was da kommen wird. Sie wird Fahrdienste und Beratungen anbieten und vielleicht findet sie jemanden, der ihr Gartenhäuschen wieder auf Vordermann bringt.

Die Story des Bauern Pitter

Bauer Pitter hat auch von diesem Ring gehört, er kann sich aber nicht vorstellen, dass seine wertvolle Arbeit – immerhin hat er Agrarwissenschaften studiert – durch irgendetwas im Tauschprinzip aufgewogen werden kann. Aber, an seinen neuen PC traut er sich nicht ran. Sein Sohn, der ihm Hilfe beim Installieren angeboten h at, ist von seiner neuen Freundin so fasziniert, dass er keine Zeit für den PC und irgendwelche anderen häuslichen Arbeiten hat. Pitter ruft seine Bekannten an, die sonst in Frage kämen, aber alle sind sehr beschäftigt und vertrösten ihn auf später. Noch ein Anruf, diesmal in der Kreuzstraße, und tatsächlich, der Umgang mit dem PC scheint für viele kein Problem zu sein. Ihm werden die Beitrittsmodalitäten mitgeteilt: eine freiwillige Spende beim Eintritt und eine jährliche Gebühr von 12 €, sogar für die ganze Familie. Das ist ja nichts, denkt Pitter und fährt ins Tauschring Büro. Als PC-Fachmann wird ihm Harald K. empfohlen, ein absoluter Crack, der aber aufgrund der vielen Zeit, die er am PC verbringt, einen total verwilderten Garten hat. Gegen fachgerechten Obstbaumrückschnitt bekommt Pitter seinen PC eingerichtet, es gibt eine kleine Einführung in die neue bunte Multimedia-Welt und Harald erstellt sogar eine kleine Homepage für den Bauernladen. Als Pitter das erste Mal am Surfen ist, ergeben sich noch ein paar Fragen, die will er beim nächsten Monatstreffen, das immer am 1. Freitag des Monats stattfindet, mit Harald klären.

Die Story des Azubis Karl

Azubi Karl hat wenig Geld, aber immer viele Ideen. Er hat sich vor kurzem ein Auto gekauft und will dies auch für Einkaufsdienste nutzen, Autoradios einbauen und Video-Recorder programmieren und dies für Laien erklären kann er super. Er hätte gern Englischnachhilfe, vom Chef dringend empfohlen, aber unbezahlbar. Auf einem Stand beim Maifest im St. Bernhard Gymnasium hat er Infomaterial des Tauschring Will-ich mitgenommen. Mal sehen, was die Tauschlisten hergeben. Er geht online und schaut. Mr. X bietet professionellen Englischunterricht. Mathe müsste er auch noch lernen für die bevorstehende Handwerkskammerprüfung. Also auch Mathe, aber wer braucht ihn. Käthe S. aus Schiefbahn sucht Gardinenwaschen und Einkaufsdienste, bietet dafür Kuchenbacken und die Zubereitung vitaminreicher Hausmannskost. „Nicht schlecht,“ denkt Karl, seit seine Mum ganztags arbeitet, kann sie nicht mehr so regelmäßig kochen, und immer nur Fast Food, ungesund und teuer. Ans Gardinenwaschen traut er sich nicht ran, aber vielleicht hilft seine große Schwester, er kann die Dinger ja abnehmen und schön weiß wieder anhängen, Einkaufsdienste sind mehr sein Ding.

Wie geht das? Das Ende der Story

Karl kommt nach telefonischer Absprache zu Käthe S. und bringt einen Kasten Wasser in die Küche. Er hat eine Leiter dabei und nimmt die Gardinen ab. Er bekommt für den Aufwand einer Stunde 3 Willi auf dem Tauschzettel bescheinigt. Die Tauschmeldung nimmt er mit nach Willich, denn gleich wird er zu seinem Englischkurs gehen. Ungefähr nach 45 Minuten raucht ihm der Kopf. That’s enough for today. Er bescheinigt Mr. X zwei Willi. Auch diesen Zettel gibt er ab, und im Büro werden die Willi auf die Konten der jeweiligen Tauschpartner verbucht:

3 Willi plus von Käthe S., auf ihrem Konto 3 Willi minus.

2 Willi minus wegen Mr. X, auf dessen Konto 2 Willi plus.

Karl kauft noch schnell Gardinenwaschmittel, Das wird Käthe direkt in Euro bezahlen. Wieder zuhause überprüft Karl sein Konto online und ist froh, dass er noch ein kleines Guthaben hat. Wenn die Gardinen gewaschen sind, bekommt er noch mal 6 Willi dazu, das haben die beiden schon im Vorfeld vereinbart. Er ist zufrieden und denkt: „Funktioniert doch prima, nette Leute kennengelernt, Käthe S. freut sich, Mr. X macht einen Super Unterricht und die Willi will ich.“

Finale

Azubi Karl hat seine Prüfung gut bestanden, bestimmt auch dank Käthes guter, vitaminreicher Kost, die er ab und zu geordert hat. Er hat eine Stelle in Viersen gefunden und wohnt jetzt auch dort. Klar kann er trotzdem Mitglied im Tauschring Will-ich bleiben, sie haben ja eine Familienmitgliedschaft. Zu den Freitagstreffen erscheint er regelmäßig und hat viele Menschen kennen gelernt. Käthe S. ist ihm immer noch ein Lichtblick. Er geht online und druckt extra für sie die neue Tauschliste aus. Als er vor ihrer Tür steht und ihr die Liste gibt, strahlen ihre Zähne fast so weiß wie die Gardinen. „Jung, die hab ich doch schon, aber ich kann sie nicht mehr so gut lesen. Fahr mich mal zum Optiker, ich brauch wohl eine neue Brille. Schau mal, dies hier ist meine Rezeptsammlung, die ich in drei Monaten im Selbstverlag herausbringe. Ich auf meine alten Tage schreibe ein Buch und der Harald vom Tauschring hilft mir dabei. Ich will doch nicht, dass die alten Originalrezepte verloren gehen. Karl, seitdem ich im Tauschring bin, ist mein Leben noch mal richtig spannend geworden.“